Der Kranich

Liebe Entdeckerin, lieber Entdecker!
Grus dich - Ich bin es, der Kranich! Ich bin zwar ein Brutvogel des Nordens, fliege aber jeden Herbst in großen Scharen in Richtung Süden und komme bald auch im Seewinkel vorbei. Auf dem Weg in meine Überwinterungsquartiere im südlichen und südwestlichen Europa bzw. nördlichen Afrika mache ich mit einigen meiner Artgenossen hier gerne einen Zwischenstopp. Die besten Beobachtungen gelingen Ende Oktober und Anfang November, wenn wir am späteren Nachmittag zu hunderten unsere Schlafplätze im Seevorgelände des Neudegg aufsuchen. An guten Tagen kann man mehrere Tausend meiner Art im Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel beobachten.
Auf bald, und einen schönen Grus Grus!
Euer Kranich!
Steckbrief
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Größe: 96 – 119 cm
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Flügelspannweite: 180 - 222 cm
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Gewicht: ca. 3 - 6 kg
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Nest: Bodenbrüter; Nester werden im knietiefen Wasser aus Pflanzenmaterial aufgetürmt
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Eier: 2 oliv- rötlichbraun gefleckte Eier
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Brutzeit: März - Mai
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Alter: Bis zu 25 Jahre
Aussehen
Der Kranich ist ein großer, storchenähnlicher Vogel mit schwarzen Stelzenbeinen und einem langen Hals. Die Kranichvögel (Gruiformes) stellen eine eigene Gruppe innerhalb der Vögel dar und sind nicht näher mit den Störchen verwandt. Aufgrund seiner Gefiederfarbe wird unser Kranich auch als Grauer Kranich bezeichnet. Hals, Kehle und Stirn sowie die Schwanzfedern sind dunkelgrau bis schwarz und kontrastieren daher stark zum hellgrauen Körpergefieder. Hinter dem Auge zieht ein breiter weißer Streifen in die Nackenregion und auf dem Scheitel befindet sich ein roter Fleck.
Mit dem im Flug ausgestreckten Hals und weit nach hinten ragenden Beinen erinnert er von der Flugweise und Größe stark an unseren Weißstorch. Die insgesamt dunklere Farbe, die schwarzen Schwanzfedern sowie der schwarze Hals lassen eine sichere Bestimmung dennoch zu. Kraniche geben außerdem im Flug charakteristische trompetenartige Kontaktrufe („kruu“) von sich, die bereits aus mehreren hundert Metern Entfernung zu hören sind.
Fortpflanzungs- und Brutbiologie
Nach der Rückkehr in ihre Brutgebiete (Fennoskandinavien und Nordost-Europa) Ende Februar beginnen die Kraniche mit einem spektakulären Balzritual, dem „Tanz der Kraniche“. Dabei tänzelt das Paar auf einer offenen Fläche des Brutreviers mit schreitenden und umherspringenden Elementen umeinander, nickt sich zu und dreht sich im Kreis. Die Flügel werden in geöffneter Form präsentiert und laute schmetternde Duettrufe erklingen. Im Laufe des März nimmt dieses Balzverhalten stetig zu und gewinnt an Intensität, erreicht seinen Höhepunkt schließlich in einer Paarung. Meist werden 2 Eier mit einer etwaigen Größe von 10 x 6 cm in ein bodennahes Nest gelegt. Zum Schutz vor Prädatoren wie Wildschweinen oder Füchsen errichten die Kraniche ihre Nester oft im knietiefen Wasser oder an sumpfig feuchten Uferzonen. Das Nistmaterial besteht aus unterschiedlichen Pflanzenteilen, die beispielweise auf einem Grasbuckel (Bulte) aufgetürmt werden. Beide Eltern bebrüten das Gelege abwechselnd – nach 27 -31 Tagen schlüpfen die Jungtiere, die als sogenannte Nestflüchter ihr Nest relativ rasch verlassen und den Adulten nachlaufen. Nach etwa 10 Wochen werden die Jungkraniche flügge, bleiben aber weiterhin bei ihren Eltern um im Spätherbst gemeinsam mit diesen in Überwinterungsquartiere zu fliegen.
Ewige Liebe! - Hat sich ein Kranichpaar einmal gefunden, bleibt es meist lebenslänglich zusammen. In der Fachsprache wird das auch als Monogamie bezeichnet.
Nahrung
Bei der Nahrung ist der Kranich relativ flexibel. Neben diversen Feldpflanzen, Beeren, Hülsenfrüchten und liegen gebliebenen Kartoffeln frisst er auch größere Insekten, Weichtiere und kleine Wirbeltiere. Die Küken suchen bereits vom ersten Tag an selbständig nach Nahrung, werden aber zusätzlich von den Eltern versorgt. In den ersten Wochen besteht die Nahrung der Jungtiere zum größten Teil aus Würmern und Insektenlarven.
Stimme
Der weitklingende, überwiegend im Flug abgegebene Kontaktruf des Kranichs ist sehr charakteristisch und unverwechselbar. Die frühere althochdeutsche Bezeichnung für den Kranich war „Cranuh“ und beschreibt lautmalerisch den Ruf dieser Art. Das trompetenartige Geräusch kann man im offenen Gelände und bei passender Witterung aus bis zu zwei Kilometern Entfernung hören, weswegen man einen herannähernden Kranichtrupp meist viel früher akustisch als optisch wahrnimmt.
Hörprobe unter: ♫ Kranich - Stimme / Gesang / Ruf hören (deutsche-vogelstimmen.de)
Verbreitung und Zugrouten
- Brutgebiete
Der Kranich brütet in Nordeuropa, beginnend von Nordwest-Deutschland über Skandinavien, den baltischen Raum, Polen bis nach Russland und Asien, fast bis zum Pazifik. Kleinere isolierte Populationen brüten beispielweise in England, Dänemark und den Niederlanden. 2015 wurden auf europäischem Boden 130.000 Kranichpaare gezählt, von denen der Großteil in Skandinavien brütet. Seit 2018 ist der Kranich nach 133 Jahren Abwesenheit als Brutvogel wieder auf österreichischem Boden nachgewiesen und seither brüten jährlich ein bis zwei Paare im Waldviertel. Momentan verschiebt sich die Verbreitungsgrenze langsam weiter in Richtung Süden und so könnte es durchaus sein, dass der Kranich als Brutvogel in Österreich wieder deutlich zunimmt. Ob es den Kranich zum Brüten auch bis in den Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel ziehen wird, bleibt aber fraglich.
- Zugrouten (https://www.kraniche.de/de/zugwege.html)
Die europäischen Kraniche nutzen für die Reise in ihre Überwinterungsgebiete drei Hauptzugrouten: Den westeuropäischen-, den baltisch-ungarischen- & den osteuropäischen Zugweg. Individuen, die im burgenländischen Seewinkel zu sehen sind, benutzen meist die baltisch-ungarische Strecke und fliegen von Finnland über den Finnischen Meerbusen, über das Baltikum und die Slowakei bis in den ungarischen Hortobágy-Nationalpark, wo riesige Kranichtrupps überwintern. Von Hortobágy fliegen zahlreiche Kraniche weiter in den Süden nach Süditalien und Nordafrika während ein kleiner Teil einen Schwenker nach Westen macht um nach Südwesteuropa zu fliegen. Es sind genau diese Kraniche die wir im Seewinkel zu Gesicht bekommen. Je nach Witterung fliegen die Kraniche täglich mehrere 100 bis zu 1000 km weit und erreichen dabei Geschwindigkeiten von 45 bis 55 km/h.
- Überwinterungsgebiete
Je nach bevorzugter Zugroute überwintern die Kraniche in unterschiedlichen Gebieten Südeuropas und Nordafrikas. In den letzten Jahren gibt es jedoch eine Tendenz die Überwinterungsgebiete weiter in den Norden zu verlagern, was durch die klimatisch bedingten, wärmer werdenden Winter möglich geworden ist. Die über Westeuropa ziehenden Kraniche verbringen die Wintermonate überwiegend in Spanien und Frankreich während Kraniche des baltisch-ungarischen Zugweges im ungarischen Hortobágy und Nordserbien überwintern oder weiter nach Nordafrika (Marokko, Libyen und Tunesien) fliegen. Die Überwinterungsgebiete der über Osteuropa ziehenden Kraniche liegen in Israel oder im östlichen Afrika (z.B.: Äthiopien). Bereits Ende Februar/ Anfang März kehren die ersten Kraniche schon wieder in ihre nördlichen Brustgebiete zurück.
Gefährdung
Laut IUCN ist der Kranich als nicht gefährdete Art gelistet. Wie so oft geht die größte Gefahr für den Kranich von der Lebensraumzerstörung durch den Menschen aus.
Wissenswertes
Das wunderschöne Aussehen der Kraniche begeistert die Menschen schon seit langer Zeit. In zahlreichen alten Kulturen und Mythologien sind sie verehrte Symbole oder zieren als Embleme edle Wappen. In Japan ist der Kranich ein Glückssymbol, das die Langlebigkeit verkörpert – hier gibt es auch den Volksglauben, nach 1000 selbstgefalteten Origami-Kranichen, einen Wunsch von Göttern erfüllt zu bekommen. Für Origami-Begeisterte unter Ihnen gibt es hier einen Link zu einer Kranich- Faltanleitung: https://www.origami-kunst.de/faltanleitungen/diagramme/kranich/

Generell kann man die Kraniche im Spätherbst im gesamten Seewinkel auf Äckern, Wiesen oder überfliegend antreffen. Oft wird man sie zunächst akustisch wahrnehmen, da man ihre charakteristischen Rufe aus bis zu zwei Kilometern Entfernung hören kann. Hört man das Trompeten dieser Vögel, macht es Sinn zunächst den Himmel nach ihnen abzusuchen aber auch auf Offenflächen nach rastenden Kranichen Ausschau zu halten. Da Kraniche sehr scheue Tiere sind und sie den Großteil ihres Lebens sehr versteckt verbringen, ist stets ein respektvoller und ausreichender Abstand zu ihnen einzuhalten. Bei brütenden Kranichen ist dies besonders zu beachten, da sie in dieser Zeit sehr störungsanfällig sind und die Brut oder die Jungtiere sogar verlassen können. Die wichtigsten Werkzeuge für Vogelbeobachter, Fernglas und Spektiv, erweisen sich auch hier wiedermal als herausragende Hilfsmittel und ermöglichen ein tolles Beobachtungserlebnis auch aus größerer Entfernung.
Übrigens: Zur Zugzeit kann man die Kraniche in vielen Gegenden Österreichs beobachten. Hier einfach wieder wachsam auf trompetendes Rufen sein!
„Kranichwatching“ in St. Martins

Auch über der St. Martins Therme & Lodge besteht die Möglichkeit, Trupps von Kranichen zu sehen. Wenn Sie unseren Entdeckerpfad um den Badeteich entlangspazieren und die charakteristischen Rufe wahrnehmen, zahlt es sich meist aus den Blick in Richtung Himmel zu lenken bzw. zu richten - vielleicht ziehen genau in diesem Moment Kraniche über Sie hinweg. Die beste Zeit um die Kraniche bei uns im Seewinkel zu beobachten ist Ende Oktober und Anfang November. Am besten bucht man in dieser Zeit ein „Individuelles Naturerlebnis“ für den Nachmittag um in Begleitung eines erfahrenen Rangers oder einer erfahrenen Rangerin auf Kranichsuche zu gehen. Auch wenn die Kraniche bei Safaris wie der „Großen Entdeckertour“ oder dem „Birdwatching“ nicht im zentralen Fokus stehen, kann man die Kranichtrupps mit etwas Glück und Zufall auch bei diesen Touren zu Gesicht bekommen. Die RangerInnen der St. Martins Therme & Lodge sind stets gut über das aktuelle Zuggeschehen der Kraniche informiert und kennen die besten Plätze um diese zu beobachten. Lassen Sie sich dieses Naturspektakel nicht entgehen und lauschen Sie mit uns den trompetenden Rufen dieser Tiere!
Interaktive Inhalte
Hier finden Sie Videos mit besonderen Inhalten zum Kranich.